· 

Dave

(Raphaela Edelbauer, Klett Cotta)

Meine Meinung

Kafkaesk. Verstörend. Packend.

Ein Sci Fi-Thriller aus der Feder einer renommierten österreichischen Gegenwartsautorin? Den musste ich haben! Doch Raphaela Edelbauers „Dave“ machte es mir nicht leicht.

 

Selten breche ich eine Lektüre ab - meist wegen einer zu flachen Handlung oder sprachlicher Fehler. Diesmal war ich über eine gehörige Strecke (geschätzt ein Viertel, vielleicht sogar ein Drittel des Romans) immer wieder versucht, das Buch wegzulegen. Zu irritierend die leicht verzerrte Perspektive, aus der der Protagonist - und mit ihm der Leser - seine zunehmend surreal anmutende Welt sieht. Als trüge man eine Brille, deren Dioptriezahl nicht passt. Mühsam auch die (über)langen, mit zahllosen Fremdwörtern gespickten Dialoge, in denen sich Wissenschaftler über das Phänomen der künstlichen Intelligenz auseinandersetzen.

 

Aber der Roman ließ nicht zu, dass ich ihn abbrach. Immer wieder zog mich die verschrobene Handlung so in ihren Bann, faszinierte mich die (halbphilosophische) Auseinandersetzung mit dem Thema KI so sehr, dass ich nicht nur nicht zu lesen aufhörte, sondern regelmäßig bis in die frühen Morgenstunden in dem Roman gefangen blieb.

 

Etwa nach zwei Dritteln des Romans ist der einigermaßen mitdenkenden Leserin die Auflösung klar. Dies ist jedoch keine Enttäuschung, sondern eine Erleichterung. Erst diese Erkenntnis macht die (scheinbaren) Logikbrüche in der Handlung verständlich, versöhnt mit den Irritationen, denen man als Leserin bis zu diesem Punkt durch die Lektüre ausgesetzt war und macht das (aufgrund des enormen Suchtfaktors ohnehin unvermeidliche) Weiterlesen leichter erträglich.

 

Am Ende lässt der Roman die Leserin erschöpft, nicht zu hundert Prozent befriedigt, aber jedenfalls um ein eindrucksvolles Leseerlebnis und interessante Denkanstöße bereichert zurück. 

Zwei kurze Anmerkungen noch: Es hat mich gleichermaßen überrascht wie gefreut, wie eindeutig österreichisch dieser sprachlich niveauvolle Roman gehalten ist. Dass dies heutzutage vom Lektorat akzeptiert wird, verleiht (mir als Autorin) Hoffnung.

 

Zweitens zur technischen Komponente des Romans: Ich bin zwar alles andere als eine Expertin für KI, hatte aber beim Lesen wiederholt und nachhaltig den Eindruck, dass der Roman von einem relativ veralteten Technikverständnis geprägt  und nicht auf dem Stand der Zeit ist. Mich hat das nicht weiter gestört, aber es könnte sein, dass sich Leser, die sich mit IT und insbesondere KI auskennen, dadurch irritiert fühlen.  

 

Fazit: Ich bewerte diesen Roman, der neben gewissen Schwächen erhebliches Potential besitzt, mit vier Sternen. Wer sich darauf einlässt, mit dem Protagonisten durch seine schief in den Angeln hängende Welt zu irren, dem hat dieser Roman einiges zu bieten. Wer sich allerdings leichte Unterhaltung wünscht, die dem Leser entgegenkommt und ihn bereitwillig in die Arme nimmt, sollte lieber die Finger davon lassen.


Kommentar schreiben

Kommentare: 0