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(Digitale) Berge versetzen im Wiener Burgtheater

 

Dass Thomas Manns Jahrhundertwerk „Der Zauberberg“ als Theaterstück nicht gleichwertig umgesetzt werden kann, war von vornherein klar. Insbesondere das Innenleben des Protagonisten, seine psychologische und emotionale Entwicklung bleiben in der Bühnenfassung auf der Strecke. Trotzdem ist das Experiment des Burgtheaters in meinen Augen gelungen. 

 

Die eigenwillige Inszenierung besticht durch ein kreatives animiertes Bühnenbild, auf dem die handelnden Personen in übergroßer Videoaufnahme zu sehen sind. Die Texte sprechen aber nicht die auf den Videos zu sehenden Personen, sondern vier Schauspieler auf der Bühne - anders gekleidet und in anderer Geschlechterverteilung als ihre digitalen Pendants. Eine unglaubliche Herausforderung für die Akteure, exakt synchron mit ihren Alter Egos zu sprechen und dabei mehrere Rollen gleichzeitig einzunehmen, die zum Teil unmittelbar im Dialog miteinander stehen! Vor dieser Höchstleistung habe ich allergrößten Respekt, zumal Markus Meyer aufgrund eines Infekts auch noch mit FFP2-Maske spielte!

 

 


Die Form der Inszenierung mag verstörend klingen und verwundert tatsächlich zunächst. Man braucht eine Weile, um sich darauf einzulassen, doch dann konnte ich den vielschichtigen Eindrücken, die die Darbietung vermittelt, viel abgewinnen.

 

Es erübrigt sich zu sagen, dass der Inhalt des Stücks - wenn auch auf einen Bruchteil der Romanvorlage reduziert - mit messerscharfen Beobachtungen der Gesellschaft, erschreckend aktuellen Themen und einprägsamen Aussagen punktet.

 

 

Fazit: Ein bereichernder Theaterabend - vor allem für Menschen, die den Zauberberg noch nicht gelesen haben und es nach diesem Erlebnis hoffentlich tun werden!

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