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Schnitzler zersplittert

Bildquelle: www.josefstadt.org

Mein jüngster Besuch im Theater in der Josefstadt hinterlässt - trotz der euphorischen Kritiken, die ich im Vorfeld gelesen hatte - gemischte Gefühle:

 

Sowohl die Inszenierung als auch die schauspielerische Darbietung von Schnitzlers „Der Weg ins Freie“ überzeugten restlos, ebenso wie Bühnenbild und Kostüme - ganz wie man es aus dem Theater in der Josefstadt in Wien gewohnt ist.

 

Allerdings hapert es aus meiner Sicht an der Dramatisierung. Ein Roman ist nun einmal etwas anderes als ein Bühnenstück, und auch wenn schon so mancher Roman überzeugend auf die Bühne versetzt wurde – dieser ist definitiv nicht dafür geeignet.

 

Die Handlung verliert sich in zersplitterten Einzelszenen, die in schneller Abfolge ineinander übergehen und dem Publikum kaum Zeit lassen, sich auf die geistreichen Dialoge, die interessanten Gedankenansätze und vielschichtigen Charaktere einzustellen. Überfordert – und mit der Zeit ein wenig gelangweilt – sieht man sich mit einem Stakkato an Szenen konfrontiert, die an eine Collage denken lassen. Blitzlichter auf einen Roman, der es verdient hätte, sich eingehend mit seinen einzelnen Aspekten zu beschäftigen.

 

Viele der angerissenen ethischen und politischen Fragen – etwa zum Verhältnis zwischen Bindung und Freiheit, zwischen Kunst und Politik, zwischen Naivität und Verantwortung – gäben allein genug Stoff für einen ganzen Abend ab. So aber verschwimmen sie in einer undifferenzierten Melange, deren Versuch, der Romanvorlage gerecht zu werden, zum Scheitern verurteilt ist.

 

Daher mein Fazit: Lieber lesen als sich mit der Bühnenfassung zufriedengeben!


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